
06. Advent
~ die ungeordnete Bücherei des Schlosses~
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»Trotzdem würde Hina nicht behaupten, dass sie sich wirklich gut in der Bibliothek
auskannte und sie bezweifelte, dass irgendjemand es wirklich tat – Hogwarts hielt
nichts davon, sich ordnen zu lassen, und umso weiter man vom Hauptkorridor [der
Bibliothek] abwich, um so chaotischer wurde die Organisation der Bücher, die
irgendwann in kleinen, thematisch verwandten Herden auf den Regalen standen,
umgeben von nicht im geringsten artverwandten Werken. Von solchen kleinen,
verlassenen Herden gab es so viele, dass Hina sie nicht im Traum hätte katalogisieren
können und sie verspürte auch nicht das Bedürfnis danach.«
– Kapitel 08
Aber warum ist die Bücherei in Hogwarts so unordentlich? Warum gibt es einen Hauptgang, in dem alles in nachvollziehbarer Logik aufgebaut ist und warum vermindert sich diese nachvollziehbare Logik immer mehr, je weiter man in die Eingeweide des Schlosses vordringt?
Dazu sollte man einen Blick in die Geschichte Hogwarts’ werfen. Wie bekannt sein dürfte, wurde die Schule im späten zehnten Jahrhundert eröffnet und ist somit rund tausend Jahre alt. Das Schloss wurde zur selben Zeit erbaut, war damals aber noch kleiner – viele Additionen kamen im Verlauf der Jahrhunderte hinzu.
Das alles ist aber für uns gerade unwichtig. Was wichtig ist, ist folgendes: Auch die Bücherei ist mit der Zeit gewachsen – Bücher sind dazugekommen, alte sind verloren worden, Wände zu nahe liegenden Räumen wurden eingerissen, um Platz für neue Regale zu schaffen, im sechzehnten Jahrhundert brannte ein Großteil der Bibliothek nieder, weil ein Schüler in einem Buch die Formel für Dämonenfeuer gefunden hat und dachte, es wäre eine gute Idee, diese in einem Raum voller Pergament und trockenem Leder auszuprobieren. Spoiler: Es war keine gute Idee, aber auf genaueres einzugehen ist an dieser Stelle nicht nötig. Man kann sich denken, dass der Bestand der Bücherei nach diesem Zwischenfall deutlich dezimiert war.
Nach kleineren und größeren Zerstörungen wurde die Bibliothek immer wieder mal ein wenig geordnet, aber immer wieder kam etwas Neues hinzu. Das lief so lange gut, bis irgendjemand im neunzehnten Jahrhundert ob dem völligen Fehlen von Organisation einen Nervenzusammenbruch bekommen hat. Diese Person, Alabaster Mews, wollte die Ordnung wiederherstellen.
Aus dem Schüler wurde Bibliothekar, und eigentlich hatte er die besten Voraussetzungen für den Job – er hatte gute Unterstützung und gute Mittel. Wäre da nicht Otrea Granville, damalige Professorin für Geschichte, gewesen, die ebenfalls das Ziel der Umgestaltung und Organisation der Bücherei anstrebte. Und wo war das Problem? Die beiden Büchernarren wollten nach zwei grundverschiedenen Konzepten organisieren.