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Kiefer Fichte Zweig 6

21. Advent

~ Kater, Keks und Kakao ~

    Aurie klopfte an die eher unscheinbar wirkende Tür, an der die gleiche Nummer befestigt war, die auch auf dem Zettel stand, der, ohne, dass sie wusste, woher, einfach in ihrer Tasche aufgekreuzt war. 

    Vermutlich handelte es sich dabei um einen dummen Scherz oder einen verzweifelten Erstklässler – beides hatte sie schon gehabt und wegen keinem von beidem machte sie sich sonderlich große Sorgen. 

    »Herein!«, rief eine Stimme aus dem Inneren, die sich nicht wie ein verirrter Erstklässler anhörte, aber auch nicht wirklich bösartig. 

    Nun ja, Aurie würde sehen und drückte die Tür unter leichtem Kraftaufwand auf, nur um in einem Raum zu stehen, der aussah wie das altmodische Wohnzimmer einer katzenhortenden alten Dame, nur dass bedauerlicherweise bloß zwei Katzen im Raum waren. 

    Eine schwarz-weiß gescheckte Katze hockte mit unter den Körper geschlagenen Beinen auf dem Schoß eines molligen, Aurie unbekannten Mädchens, ein stämmigeres, getigertes Tier, kleiner als Simba, aber immer noch mächtig, lag ausgestreckt auf einem Sofakissen. 

   »Hallo!«, begrüßte Aurie und fragte sich, ob sie das andere Mädchen nicht doch irgendwoher kannte. Sie kam ihr seltsam bekannt vor, auch wenn sie nicht hätte sagen können, woher. Vielleicht von einer der verschiedenen Grundschulen, die sie in Amerika besucht hatte. 

   »Hallo Aurie.« Einladend klopfte sie auf einen freien Platz auf der zerknautscht-gemütlichen Couch. »Ich habe mich schon unglaublich darauf gefreut, dich zu treffen.« Die Aussprache des Mädchens war allerdings so britisch, dass Aurie sich nur äußerst schwer vorstellen konnte, dass sie amerikanischer Herkunft war. »Kekse?« 

   Aurie hatte keine Ahnung, was sie hier tat – irgendwie kümmerte es sie auch überhaupt nicht –, aber sie ließ sich auf die Couch fallen und sank angenehm tief in die Polsterung. »Ich weiß nicht, wer du bist, aber du hast Kekse, also freue ich mich auch außerordentlich.« Ohne jede Art vornehmer Zurückhaltung griff sie sich drei Plätzchen vom Teller und probierte eines. »Oh. Gosh.« Sie schloss die Augen. »Die sind ja köstlich!« 

   »Geheimrezept.« Aurie hörte das äußerst stolze Lächeln in der Stimme des Mädchens. »Ich bin Thya.« 

   Auch wenn Thya ihren Namen anscheinend schon kannte, kam es ihr richtig vor, sich vorzustellen. »Aurie Charles.« 

   »Wie gesagt: Ich freue mich sehr.« Sie deutete auf eine Kanne, von der Aurie hätte schwören können, dass sie vor einigen Augenblicken noch nicht auf dem kleinen Beistelltisch gestanden hätte. »Heiße Schokolade?« 

   Bevor Aurie hätte antworten können, schüttete Thya etwas  von einer wunderbar dickflüssigen, dunklen Flüssigkeit, das einen herrlichen Geruch ausströmte, in eine bauchige Tasse, die sie Aurie dann in die Hand drückte, in der sie keine Kekse hielt. Sie nahm einen Schluck und wäre am liebsten gestorben angesichts der Explosion von Kakao in ihrem Mund. »Auch wenn ich dich seit so fünf Sekunden kenne: Heirate mich.« 

   »Prinzipiell gerne, aber ich habe bereits so vielen Freunden meine Hand versprochen, dass ich in

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